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Mai 2013 - Hören und sehen

Geräucherter Speck, Tomaten und Schafskäse vom Temeswarer Markt stehen vor uns auf dem heimischen Tisch. So starten wir in den Muttertag des Jahres 2013 und versuchen uns krampfhaft an die Erinnerungen der letzten zehn Tage zu klammern. Die letzte Mahlzeit in Ungarn liegt lange hinter uns, ebenso viele Erlebnisse, die sich nicht gleich und sofort in konkrete Worte fassen lassen. Eindrücke und Empfindungen sind nah und lebendig. Menschen tauchen vor unserem inneren Auge auf und wechseln sich ab.

Kinder und Erwachsene, denen wir begegnet sind, eroberten sich einen Platz in unserem Denken und Fühlen. Sie leben oft in ganz anderen Umständen oder Zuständen, als wir sie tagtäglich gewohnt sind. Vor 11 Tagen brachen wir auf, um Menschen, Partner und Freunde in Rumänien zu besuchen. Diese Tage sind Vergangenheit und Gegenwart zugleich. Dankbarkeit für alles Erlebte und alle Bewahrung macht sich in uns allen breit. Die Vorbereitungen für diese Fahrt waren gekennzeichnet vom langen Winter und persönlichen Veränderungen. Aber sie waren gesegnet und getragen von unserem Auftraggeber. Zu behaupten, dass wir die Pläne erstellen, wäre eine Anmaßung. Natürlich müssen wir zufassen und anpacken, aber die Kraft dazu zu haben und alles passend zu gestalten sind Geschenke, die wir dankbar annehmen. Viele Menschen klingelten, riefen an, schrieben Überweisungen und brachten gefüllte Kartons und Taschen. Am Morgen des 1. Mai starteten wir mit dem klaren Ziel – Rumänien. Ein Transporter aus Tabarz fuhr voll beladen schon einige Tage vorher los.

In Hunedoara war bereits ein Badezimmer installiert, während wir uns total überladen durch Deutschland, Österreich und Ungarn bewegen. Der Feiertag zwingt die LKWs zur Ruhepause und beschert uns eine freie Fahrt. Kleidung, Schuhe, Lebensmittel und Ostersüßigkeiten, Medikamente, Spielzeuge und Hygieneartikel drücken auf die Federn. Der Transport aller Güter ist immer wieder das Problem. Ohne den ersten Bus wäre vieles mehr in Deutschland und Familie Filip vermutlich ohne das Bad geblieben. Das bevorstehende orthodoxe Osterfest treibt alle im Ausland arbeitenden Rumänen zu den Familien nach Hause. Daher sind die letzten Tankstellen und Vignettenhäuschen ziemlich überfüllt und zwingen uns zu längeren Pausen.

Bei Pfarrer Kovacs in Temeswar treffen wir die beiden Fahrer des ersten Busses schon an. Vor einigen Stunden kehrten sie aus Hunedoara zurück. Wir sind froh, die 1200 Kilometer auch überbrückt zu haben. Schon in Ungarn entfaltete die Sonne ihre Kraft, in Temeswar steigen die Temperaturen täglich auf über 34 Grad. Wir entlasten unser Auto und sortieren alles, bevor wir entsprechend der Gewohnheit, begrüßt werden. Unsere Erstreisende ist schnell integriert und fühlt sich, wie jeder, der das erste Mal hier auftaucht, schnell zu Hause. Für die kommenden Tage sind Absprachen erforderlich. Einige Termine und Einladungen stehen an.

Doch der nächste Tag beginnt in aller Ruhe. Am Pfarrhaus fiel die weiße Folie an der Fassade schon bei unserer Ankunft auf. Nur einige Fenster sind frei geschnitten, sonst ist von der langen Hauswand nichts zu sehen. Die Gemeinde bekam zweckgebunden Geld und nutzte es, den sanierungsbedürftigen Putz komplett zu entfernen. Weil niemand weiß, ob und wann weitergearbeitet werden kann, überspannt nun die Baufolie die gesamte Fläche. Bleibt zu hoffen, dass auch die Stadt ein Interesse daran hat, ihr einziges evangelisches Pfarrhaus ein wenig zu bedenken. Immerhin steht im nächsten Jahr die 175-Jahrfeier der Kirche bevor. Anträge und andere Papiere sind zur Genüge gestellt und eingereicht. Bei Bauvorhaben orthodoxer Kirchen finden sich die entsprechenden Stempel und Kassenschlüssel der kommunalen Verwaltungsapparate schneller. Aber ohne Hoffnung kann kein Anfang gesetzt werden.

Wir durchstreifen die Stadt und einige Geschäfte. Drei Tage vor Ostern scheinen die auf separaten Tischen aufgebauten Osterhasen bisher kaum Abnehmer gefunden zu haben. Die Leute gehen im großen Bogen drum herum. Die Umrechnung der Preise erklärt es, denn sie übertreffen meist noch die uns bekannten. Wenn wir rechnen, dann bedenken wir das Einkommen der Rumänen, das ungefähr zehn bis zwanzig Prozent von dem unseren beträgt. Verteuerungen der Energie und aller Lebenshaltungskosten erklären für die meisten vieles zum Luxus, eben auch solche Süßigkeiten. Standen vor einigen Jahren auf dem großen Platz zwischen Oper und Kathedrale noch einige Pavillons mit solchen Angeboten, füttern heute, wie täglich, nur Kinder die Tauben mit Brotkrumen. Auch in anderen Geschäften und selbst auf den Märkten ist von geschäftigen Ostereinkäufen nichts zu spüren. Wir genießen den Schatten und treffen auf dem Markt Verkäuferinnen, die wir über die Jahre hinweg kennen. Sie verwöhnen uns mit Käse aus eigener Produktion und wir versprechen in einer Woche wieder zu kommen, dann um zu kaufen.

Am Abend treffen wir uns mit Mihaela und ihrem Vater. Sie hat uns als Sozialpädagogin schon an vielen Stellen geholfen. Ihr Vater hört seit einiger Zeit fast gar nichts mehr. Maximal 15 Prozent Hörvermögen hat er noch auf einem Ohr, so belegt es ein ärztliches Audiogramm. Drei Generationen teilen sich eine kleine Blockwohnung und er hört nicht einmal mehr die Klingel oder das Telefon. Wer nichts mehr hört, droht selbst in einer Familie zu vereinsamen. Schon vor der Reise trat die Tochter an uns mit der Frage heran, ob wir helfen können. Unsere Intension der Hilfe betrifft immer die ganz individuelle Not Betroffener. Diese Familie hat sich ständig für andere eingesetzt und gerät jetzt an ihre persönlichen Grenzen. Wir sehen das deutlich und helfen gern.

Der nächste Tag beginnt mit einer neuen Herausforderung. Der Kirchgemeinde wurde der Abendmahlskelch gestohlen und in zwei Tagen soll im Gottesdienst das Abendmahl ausgeteilt werden. Die Kirchgemeinde besitzt noch zwei Kelche im großen Tresor, doch der lässt sich nicht mehr öffnen. Pfarrer Kovacs bittet uns um Hilfe bei der Tresoröffnung, als gäbe es nichts Leichteres für uns. Groß wie ein Kleiderschrank steht er seit vielen Jahren im Gemeinderaum und hat sich mit seinem Gewicht schon fast in den Fußboden eingegraben. Der Schlüssel bewegt sich leicht, aber die Tür keinen Hauch. Uns kommt die vor vielen Jahren vorgenommene Renovierung des Raumes in den Sinn. Mit dünnen Messerklingen lösen wir Millimeter um Millimeter die Farbe aus dem nicht vorhandenen Türspalt und nach einer Stunde zähem Klopfens lüftet sich das Geheimnis. Die Geduld hat gesiegt und ist beim Besuch von Frau Eva neu gefordert.

Seit vielen Jahren besuchen wir sie und sie freut sich jedes Mal darüber. Sie erwartet ihren 82. Geburtstag mit wenig Freude, denn nicht nur die Kinderlähmung, die sie seit vielen Jahrzehnten an die kleine Wohnung fesselt, ist beschwerlich. Nur schwer versteht sie als intelligente Frau die aktuelle Tagespolitik und noch weniger die Sparmaßnahmen der Regierung, Rentner, Schwerbeschädigte und sozial Schwache betreffend. Es ist eine Mischung aus Erinnerung, Melancholie und Demenz die uns entgegenschlägt. Trotzdem gelingt es, sie ein wenig zu erheitern und zum Lachen zu bringen. Besuche gehören zu den Höhepunkten im alltäglichen Alleinsein. Sie bedeuten Durchbrüche durch die Konstruktion einer eigenen, engmaschigen Gedankenwelt mit eingeschränktem Radius. Wir hören auf immer gleiche Geschichten und versuchen der Frau die grauen Wolken für einige Momente bei Seite zu schieben. Einige Lebensmittel und besonders Schokolade sind dabei auch hilfreich und lassen die Augen leuchten.

Einkäufe für das Kinderheim in Jimbolia stehen an und wir schalten auf das Kinderprogramm um. Trotz des orthodoxen Karfreitags sind alle Geschäfte geöffnet und wir finden mit unserem voll gepackten Wagen gut Platz zwischen den Regalen. Auch hier ziehen die Ostersüßigkeiten uns bekannter Hersteller nur wenig Aufmerksamkeit auf sich. Cozonak, ein einfacher Hefekuchen mit eingerollten gemahlenen Nüssen, ist rumänische Spezialität und der ist zwei Tage vor Ostern in fast jedem Korb zu finden. Wir bezahlen Getränke, Ketchup, Brot und alles, was noch zum Kinderfest fehlte.

Bei Vali, einem Mitglied des Presbyteriums und guten Freund des Pfarrers, sind wir zum Grillen eingeladen. Er fuhr mehrere Monate in Deutschland Zuckerrüben, während Pfarrer Kovacs für ihn in Rumänien Farbe auslieferte. So konnten sich beide über Wasser halten und Valis Transportunternehmen überleben. Gespannt hören wir zu, als er seine Eindrücke aus Deutschland schildert und sehen uns im Spiegel einer Gesellschaft, die, mit allen Problemen behaftet, für viele Menschen als Garant eines erstrebenwerten Systems steht. Niemand in Rumänien kann verstehen, warum eine Krankenversicherung ohne Gegenleistung bezahlt werden muss. Trotz Firmenverluste muss Vali monatlich einen hohen Betrag an Einkommenssteuer bezahlen, was natürlich den Verlust noch wesentlich mehr befördert. Das sind nur zwei von vielen Fragen, das rumänische System betreffend. „Ce sa facem!“, „Was können wir machen!“ meint er und serviert uns Gegrilltes.

Am nächsten Tag verabschieden wir den ersten Transporter mit Fahrern in Richtung Deutschland und laden unser Auto für Jimbolia. Vorher besuchen wir noch Anna. Nach dem Lyzeumsabschluss pausierte sie mit Schule und nahm sich für sich selbst Zeit. Ihre körperliche Beeinträchtigung hat Signale gesetzt und solange es möglich war, stärkte sie sich durch Schwimmen und tägliche Gymnastik. Sie läuft besser, bemerken wir, und das Schwimmen ist nach unserem Besuch wieder gesichert. Sie strahlt große Lebensfreude aus. Ihre Mutter arbeitet in Österreich und sichert so die Mietkosten der kleinen Blockwohnung für sie und den Bruder. Wir verabschieden uns und fahren in Richtung der serbischen Grenze.

Wieder sehen wir viele kleine Finger und Kinderaugen durch die Torschlitze blitzen, als wir vor dem Kinderheim anhalten. Die Freude über unseren Besuch ist weder zu übersehen noch zu überhören. Die 13 Kinder drängen sich, uns alle zu begrüßen, egal ob sie uns schon kennen oder noch nicht. Alle helfen beim Ausladen und jeder will etwas tragen. Als wir vor der Reise Piroska, die Leiterin, anfragten, was benötigt wird, zählte sie wieder Kinderunterwäsche, Strümpfe und Schuhe auf. Hätten wir die Kinder gefragt, wäre natürlich Schokolade der Renner gewesen. Heute ist für beides gesorgt. Auch didaktisches Material, Hygieneartikel und Spielsachen reisen mit uns an.

Der Psalm 23 vom guten Hirten ist Inhalt eines kleinen Kindergottesdienstes und wir erzählen in diesem Zusammenhang über Straßenkreuzungen und verschiedene Wege, die uns auf der Reise begegneten. Es ist wie im Leben, oft müssen wir uns für einen Weg entscheiden. Ob er uns ans Ziel bringt, ist nicht immer vorhersehbar und da ist es gut, sich auf den verlassen zu können, der uns seine Begleitung zugesagt hat, in allen Entscheidungen und auch über schwere Wegstrecken hinweg. Die Kinder malen Wege und Kreuzungen, Berge und gerade Wegstrecken. Als Beispiel halten wir ein Schaf in unseren Händen. Es ist mit Geld gefüllt und war die Sparbüchse eines kranken Mädchens aus unserer Heimat, dem eine schwere Krankheit die Kraft zum Leben nahm. Diesem Mädchen lagen die Kinder aus Jimbolia am Herzen, die jetzt aufmerksam zuhören. Sie alle haben schon mehr erlebt als man eigentlich verkraften kann. Doch Menschen, wie dieses kranke Mädchen gaben ihnen und vor allem auch Piroska Kraft, um weiter zu kämpfen und Perspektiven zu sehen. Der Inhalt des Schafes wird für einen schönen Tag für alle Kinder eingesetzt werden, meint Piroska und schluckt dabei.

Wir hören, dass sie gelernt hat nach vorn zu schauen - auch wenn es manchmal nur wenig Licht gibt. Aber Tag um Tag ist sie für die Kinder da, um ihnen zu helfen ein anderes Leben kennen zu lernen, als sie es bisher führen mussten. Bei ihr ist der Glaube das Fundament, auf dem sie Stein um Stein zu setzen lernt. Dabei erfährt sie, dass ihr Fundament trägt. Während ein Teil unserer Gruppe kleine und große Bälle, Topfstelzen und ein großes Schwungtuch zum Einsatz bringen und die Kinder ausgelassen mitspielen, ist es für Piroska wichtig, sich mit den anderen zu unterhalten. Aufmerksam hören wir einfach zu. Viel zu wenig erfährt sie selber Zuwendung und hat die Möglichkeit sich auszutauschen. Wir spüren die Notwendigkeit, dass sie selber auch „auftanken“ kann, und hoffen darauf, dass unser „Kraftstoff“ neue Energie gibt und vorwärts treibt. Wir bestätigen ihr, dass sich in den letzten Jahren Vieles zum Guten verändert hat. Immer mal wieder kommt eines der Kinder, um sich Streicheleinheiten abzuholen. Gibt es einen besseren Beweis des Vertrauens und des Geborgenseins für Abgeschobene, Benachteiligte und Missbrauchte?

Der Grill wird angeheizt und Thüringer Bratwürste nehmen Farbe an. Andi entwickelt sich zum Grillmeister und Adam, mit drei Jahren der Kleinste, ist verschwunden. Niemand sieht ihn, bis er mit dem Schokoladenpudding aus der Küche gewackelt kommt. Leider muss er ihn wieder zurückbringen, denn den haben die Frauen unserer Gruppe mit den Kindern als Dessert angerührt. Die Bratwürste lenken auch Adam vom Pudding ab und fast alle sind aufgegessen. Der Pudding passt dann doch noch rein und alle sind geschafft und glücklich. Mit ein wenig Wehmut nehmen wir Abschied. Dass die Kinder genauso sind wie die unseren bemerkt unsere Erstreisende treffend. Sie spielen und lachen, weinen und zicken, jedoch die Offenheit und die Suche nach Zutraulichkeit sind oft neu. Sie suchen die Nähe, die ihnen bisher zu Hause wohl kaum jemand gab, aus welchen Gründen auch immer. Sie winken, bis wir um die letzte Kurve verschwunden sind. Während der Rückfahrt bleiben unsere Gedanken bei ihnen - wir sehen sie vor uns und hören ihr Lachen. Wir sind froh, dass es Piroska und ihre Schwester gibt, die ihren Ruf gehört und ihre Aufgabe gefunden haben.

Nach dem Läuten der Glocken am Sonntagmorgen beginnt in Temeswar der Gottesdienst mit einem kleinen Programm der Kinder und Jugendlichen anlässlich des vorgezogenen Muttertages. Dass wir bei Gott keine Einzelkinder sind, sondern Teil einer großen Gemeinde erlebt jeder von uns, auch jetzt im Gottesdienst. Schon lange werden wir nicht mehr als Gäste begrüßt, sondern als Freunde willkommen geheißen. Das Abendmahl empfängt jeder gleichermaßen, dieses Mal eben aus dem seit langer Zeit im Tresor eingeschlossenen Kelch, dank der scharfen Messerklingen. Im Anschluss ist bei Kaffee und Kuchen Gelegenheit für persönliche Gespräche und die Übergabe von Spenden für medizinische und andere Bedürfnisse in der Gemeinde. Ein kurzer Besuch im Hause des Metropoliten anlässlich des orthodoxen Osterfestes bringt uns mit den Vertretern anderer Kirchen zusammen. Wir stehen zwischen reformierten Christen und denen der Baptistenkirche und finden schnell Gesprächspartner. Konfessionszugehörigkeiten spielen für uns keine Rolle und das genießen wir in diesem Land immer wieder. Doch die Zeit drängt ein wenig und wir brechen wieder voll beladen in Richtung Hunedoara auf.

Gleichermaßen scheinen am Osterfeiertag die Straßen wie leergefegt und schnell, wie nie zuvor, erreichen wir nach gut zwei Stunden die Stadt. Alexandru lässt uns bei der Begrüßung an der Burg kaum Luft zum Atmen, er freut sich darüber, dass wir jetzt da sind und begleitet uns auf den ehemaligen Schießplatz zur Varga-Familie. Aufgereiht strahlen sie uns alle erwartungsvoll entgegen. Der Sonnenschein, der uns bisher einiges an Körperflüssigkeit abverlangte, erleichtert ihnen das Leben in der alten Betonbude, die der siebenköpfigen Familie nur ein notdürftiges Dach über dem Kopf bietet. Sie alle sind dankbar, wenigstens das zu haben - immer hören und erleben wir das. Neu angelegt ist ein kleiner Garten und weit über die Hälfte der Fläche bekommt den Samen erst nach unserem Besuch in die Reihen gelegt. Gern helfen alle das Auto zu erleichtern. Lebensmittel und Drogerieartikel, Kleidung und Schuhe, Süßigkeiten und Spielsachen, Medikamente und anderes lassen den Platz in der kleinen Küche eng werden. Während die Kinder mit dem Ball beschäftigt werden übergeben wir Geld für den Schulbus und andere Notwendigkeiten des täglichen Lebens für eine große Familie mit äußerst knappen Einkünften und Ansprüchen. Die große Tochter hat den weitesten Schulweg und bekommt deshalb den erst zwei Tage vor der Abfahrt eingetroffenen Schulranzen mit Rädern. Jeder Erstreisende, der hier zum Kurzbesuch mit dabei ist, versteht spätestens bei Familie Varga, warum wir mit allen Kräften diese Arbeit, so gut es geht, verrichten. Wir sind noch lange nicht fertig, auch wenn wir uns jetzt verabschieden. Die Sonne scheint weiter, auch wenn sie für heute bald untergeht - sie scheint in den Herzen der Familie und über ihrem Leben noch lange, selbst angesichts der Betonbaracke.

Bei Familie Filip laden wir wieder aus und um. Die Familie ist kleiner geworden, fünf der sieben Kinder sind nach England ausgereist und gehören nun zu der Gruppe der ungeliebten Rumänen, wie in vielen Ländern. Sie gehen dort ihrer Arbeit nach und besuchen die Hochschule oder Universität, was ihnen im eigenen Land auf Grund der Kosten und mangelnden Arbeitsplätze nicht möglich war. Wenige Häuser weiter haben Adriana und Andrei für uns das Essen vorbereitet. Nach dem schweren Autounfall geht es ihm jetzt deutlich besser. Niemand wusste damals, ob er jemals wieder laufen kann, nachdem ihm jemand frontal ins Auto fuhr und sein linkes Bein aus der Hüfte gerissen war. Wir kennen sie schon lange und das große Glück der Beiden sind ihre Arbeitsplätze. Auch wenn ein Urlaub schon viele Jahre zurück liegt, geht es ihnen wirtschaftlich ein wenig besser als dem großen Teil der Gesellschaft.

Bis spät in die Nacht unterhalten wir uns ebenfalls noch mit Filips. Alexandrus Taxifahren hat keine Konjunktur und kann ein notdürftiges Überleben maximal dann sichern, wenn es keine Zwischenfälle irgendeiner Art gibt. Doch das ist ein Idealzustand, der höchstens im Märchen existiert. Schon die Notwendigkeit von Sportschuhen oder Trainingsanzügen für die Schulkinder sind solche „Zwischenfälle“. Trotz schlechter Konjunktur fanden sie immer neu Mut, um etwas zu verändern. So erinnert nur noch wenig an die ehemaligen dürftigen Wohnverhältnisse. Im neu renovierten Wohnzimmer fanden die Möbel Platz, die schon mehrere Jahre in der Garage gelagert waren. Vom Fußboden bis zur Decke erstreckte sich die Renovierung, die nun abgeschlossen ist. Er hat viel bei unseren Arbeitseinsätzen in Balanu gelernt, wohin er uns immer begleitet hat. Nur ein Kleiderschrank fehlt der Familie noch und den bauen wir am nächsten Morgen auf. Dieses Mal sind auch alle Türen und Schrauben dabei, was nicht immer der Fall war. Er passt genau auf den vorgesehenen Platz und entbindet die Bananenkisten von ihrer Funktion. Im Garten sehen wir den neuen Badanbau. Erst vor wenigen Tagen baute der erste Teil unserer Gruppe alle Installationen ein, der Durchbruch ins Haus und der Anschluss fehlen noch, ebenso der Fußboden, die Decke und die Fliesen. Bis zum Herbst bleibt Zeit und nach unserem Besuch können die Bauarbeiten aufs Neue starten. Wir besprechen die Verwendung des im Gepäck befindlichen Elektromaterials. Wie gesagt, Alexandru hat schon Vieles gelernt und wir werden, so Gott will, im Herbst den Rest komplettieren. In der Stadt besuchen wir kurz ein Alten- und ein Waisenheim und lassen uns vom Leiter beide Einrichtungen zeigen. Sie sind relativ gut aufgestellt, aber es fehlt immer an Verbrauchsmaterialien. Vielleicht steuern wir zukünftig einiges bei. Zum ersten Mal kann uns Alexandru nicht nach Balanu begleiten, so dass wir uns jetzt von ihm verabschieden und ins Retezatgebirge aufbrechen. Während wir kurz hinter Hunedoara die engen Serpentinen hinunter rollen, grüßen uns schon die schneebedeckten Gipfel des Gebirges. Wir freuen uns auf die herrliche Landschaft und auf die Freunde, die uns nach einer knappen Stunde in die Arme schließen.

Die Kirche, die im Herbst noch eine große Baustelle war, ist fertig verputzt und von Gabis Haus leuchtet die weiße Dämmung des Obergeschosses, wo im November noch ungehobelte Bretter in die Luft ragten. Wer das Dorf noch vor wenigen Jahren kannte, wird es nicht wieder erkennen. Endlich laden wir unser Auto zum letzten Mal aus. Die Regale der Speisekammer der Kinderspeisung erhalten ihre Last und die Aussicht auf Sommerkleidung und Schuhe erleichtert viele.

Wir sehen uns um und entdecken viel neu Gewachsenes. Das Innere der Kirche zeugt von der Nutzung, auch wenn die Farbe an den Wänden noch fehlt. Weihnachten wurde sie zum ersten Mal genutzt und es war nur sinnvoll, alles bis zum Frühjahr weiter austrocknen zu lassen. Der Platz vor der Kirche erhielt eine Betonfläche, die viel Arbeit bei der Reinigung im Inneren spart. Die Terrasse von Angelut und Cristina begrenzt ein Geländer und später erfahren wir, dass im Dachboden schon ein Zimmer entstanden ist. Viel Freizeit blieb da nicht neben der Arbeit und der weiteren Schulausbildung der Erwachsenen. An den vielen erledigten kleinen und größeren Arbeiten erkennen wir, wie eigenständig sie Dinge anpacken und zum guten Ergebnis bringen. Ein neu entstandenes Zimmer in Gabis Mansarde wird für einen Teil unserer Gruppe das Zuhause der nächsten Tage. Die mühsam zusammengedrehten Klingeldrähte, an deren Enden dann doch noch eine Glühlampe zum Leuchten kommt, weist uns darauf hin, dass es in den nächsten Tagen einiges zu tun gibt. Kabelenden deutscher Produktion ragen aus verschiedenen Öffnungen der Gipskartonplatten, es ist alles, oder besser gesagt fast alles, vorbereitet. Noch am Abend werden die Pläne so gut wie möglich geschmiedet und eine Einkaufsliste geschrieben.

Da aber die Regierung den Dienstag noch kurzfristig so halb zum Feiertag erklärte, lohnt sich die Fahrt am nächsten Tag in die Stadt nicht, denn die meisten Geschäfte sind noch geschlossen. Das schöne Wetter und unsere Ankunft locken die Kinder des Dorfes auf die Straße und es dauert nicht lange, bis der braune Spielekoffer zum Einsatz kommt. In der Kirche tauschen wir die elektrischen Provisorien mit ordentlichen Geräten entsprechend der Vorbereitungen vom Herbst, bis alles funktioniert. Das zukünftige Mädchenzimmer über Cristinas Wohnung erhält Licht und Steckdosen, für die Fertigstellung wird Angelut sorgen.

Am Morgen beginnt auch die jährliche Vereinssitzung. Wir lassen uns die Zahlen erklären, die ein dicker Ordner der Buchhaltung offenlegt. Es ist ein wenig kompliziert, da ein Verein in Rumänien wie eine Firma zu führen ist und staatlicherseits auch so überwacht und kontrolliert wird. Mindestens genau so aufmerksam hören wir von den Aktivitäten, die unsere Freunde für die Bewohner des Dorfes organisieren. Wir staunen nicht schlecht darüber, wie viele Kinder sich am Erlernen verschiedener Musikinstrumente, an Religionsstunden und an der Hausaufgabenhilfe beteiligen, auch wenn Letzteres nicht zu den unbedingten Favoriten zählt. Alle Aktivitäten werden im Gemeinschaftshaus angeboten, die Kinder erfahren an dieser Stelle mehr als eine Freizeitbeschäftigung. Zusätzlich wird wöchentlich zu den Mahlzeiten für Bedürftige eingeladen. Im Winter betrifft das fast alle Familien und erfordert zwei Tage Kochen und Austeilen in mehreren Schichten.

Die Einkommenssituation der Menschen hat sich nicht verändert, auch wenn viele von ihnen die einzige Chance einer Arbeit im Ausland wahrnehmen. Manche bleiben viele Monate von zu Hause weg, was natürlich die sozialen und familiären Probleme nicht minimiert. Zurückgekehrt,  setzen viele von ihnen dann das Geld zum Ausbau der Hütten und Häuser ein. Aber die Winter ziehen sich in die Länge und oft kam es vor, dass die im Herbst erwirtschafteten Kartoffeln von den Leuten zu Cristinas Mutter an den Kiosk gebracht wurden, um sie gegen Brot einzutauschen. Wir hören immer wieder gespannt zu und versuchen zu analysieren, doch so einfach lassen sich die Probleme kurzfristig nicht beseitigen. Hunger schmerzt und das ist eben ein Problem. Wir denken über Möglichkeiten einer Unterstützung aus dem eigenen Land nach, doch unsere Recherchen bleiben ergebnisoffen. Eine Autorisierung als offizielle Sozialkantine erfordert die reguläre Einstellung und Bezahlung von zwei Angestellten, zuzüglich der kompletten Finanzierung des Essens. Das nächste Problem ist die regelmäßige Wasserversorgung der Küche und des Hauses. Während der Sommermonate und bis weit in den Herbst hinein sind der Brunnen und die im Wald von der Kommune angezapfte Quelle trocken. Wir besprechen einen Brunnenbau in der Flussnähe, ca. 50 Meter vom Haus entfernt. Das scheint lösbar, nur muss vorher die Genehmigung zur Straßenquerung eingeholt werden. Die Schulausbildung der Erwachsenen, die wir seit einigen Jahren und, dank einer großzügigen Spende, auch ein weiteres Jahr fördern können, trägt Früchte. In einem Jahr werden Cristina und ihre Schwester voraussichtlich den Lyzeumsabschluss erreichen, weitere vier Erwachsene die 10. Klasse. Manchmal reichen die Stunden eines Tages nicht, um alles zu bewältigen. Wir sehen, wie sich Menschen für die Entwicklung eines Dorfes einsetzen, ohne den Anspruch auf Vergütung zu erheben.

Nach der Versammlung brauchen wir einen freien Kopf und gehen eine Runde durchs Dorf. Es gibt Gelegenheit für Gespräche über oder durch die Zäune, in den Höfen und auf der Straße. Von Neuem entdecken wir Veränderungen und versuchen unserer Erstreisenden zu erklären, wie es noch vor wenigen Jahren aussah. Wir sehen uns noch in Gedanken damals verzweifelt am Berghang sitzen - fragend was unsere Aufgabe in diesem Dorf sein könnte, und wo mit irgendetwas begonnen werden könnte, ohne eine Antwort zu finden. Uns war klar, dass es nicht der Transport von „Hilfsgütern“ ist, der diesem Dorf und den Menschen, die in jämmerlichen Bretterbuden lebten und oft auf dem blanken Lehm oder Betonboden schliefen, eine Entwicklung garantierte. Wir erinnern uns an Kranke und Sterbende, die keine Möglichkeit einer ärztlichen Behandlung hatten. Wir sehen noch die vom Hunger ausgezehrten Gesichter der Menschen, für die der Winter zum Überlebenskampf wurde. Damals prügelten sich Erwachsene fast um einige Plüschtiere für ihre Kinder. Wir sahen uns in eine Aufgabe gestellt, für die es kein Rezept gab, keinen Ansatz einer Lösung und keine Erfahrungen, auf die wir bauen konnten. Nur im Vertrauen darauf, dass wir, im wahrsten Sinn des Wortes, hierher geführt wurden, begannen wir mit kaum erkennbaren Schritten. In der Gewissheit, dass jeder dieser Menschen ein guter Gedanke Gottes ist, taten wir das Mögliche – jenes Wissen darum gab uns Zuversicht und Glauben, kaum so groß wie ein Senfkorn, vorwärts zu denken und zu gehen. Wir schreiben es nicht uns zu Gute, dass wir heute ein Dorf vorfinden, das sich so unbeschreiblich perspektivisch und nachhaltig verändert hat. Aber es ist geschehen, wovon wir geträumt haben. Eine Vision hat sich erfüllt und wir wissen, dass sich ein Größerer die Pläne ausgedacht und umgesetzt hat. Uns erfüllt Dankbarkeit, dabei gewesen sein zu dürfen. Der zweite Weg unterhalb des Dorfes zeigt noch einige Situationen, die auf den ehemaligen Gesamtzustand des Dorfes hindeuten. Der Anblick veranschaulicht das noch ein wenig und erschüttert, wo es zum ersten Mal wahrgenommen wird.

Zu Hause angekommen lösen wir ein Versprechen ein, das Cristina den Kindern gab. Bis zur letzten Möglichkeit nehmen die Kinder im Kleinbus auf Decken Platz. Mit einem weiteren Auto starten wir mit dreißig Personen zu einem kleinen Ausflug in die Berge. Die Kinder, jedes mit einer Notfalltüte ausgerüstet, sind begeistert. Eis und Spiele in der Natur sind weitere Höhepunkte des Tages, bis sie ziemlich müde zu Hause wieder aussteigen.

Einkäufe am Mittwoch in der Stadt dauern eine ganze Weile, weil wir von Geschäft zu Geschäft laufen, um alles Nötige zu bekommen. Trotz immenser Preise, insbesondere bei den Lebensmitteln, ist das nicht immer einfach. Doch ein Gulaschessen mit den Kindern ist geplant und für siebzig Personen braucht man eben so einiges, auch mengenmäßig. Wir verstehen die Preiskalkulationen für die wöchentlichen Mahlzeiten vom Vortag aus der Vereinssitzung spätestens an den Kassen, mit knapp einhundert Euro sind wir dabei, wohl bemerkt für eine Mahlzeit!

Währenddessen versucht der andere Teil unserer Gruppe sich mit den Kabeln in Gabis Mansarde anzufreunden und sie so zu verbinden, dass sie zweckentsprechend ihren Dienst aufnehmen können. Auch das gelingt dann doch und Bujor, Cristinas Bruder, der alles „vorbereitet“ hat, staunt selber darüber. Die Frauen warten auf das Eingekaufte. Die frisch geschärften Messer schneiden das Fleisch dann auch entsprechend gut, und man braucht zum Essen später nicht die besten Zähne, die hier sowieso niemand mitbringt.

Während der Gulasch kocht besuchen wir die Familie des 12-jährigen Gabriel. Seine Mutter bat uns um Hilfe. Der Vater arbeitete in Deutschland und vom Ersparten haben sie sich eine Dusche und den Boiler angeschafft. Ein Teil des Hauseingangs wurde gefliest und es entstand etwas, wie ein Bad. Nur verstanden sich die Elektroleitung und der Boiler nicht besonders gut, das heißt es funkte mordsmäßig zwischen ihnen. So gibt es jetzt zwar Wasser im Haus, aber eben nur kaltes und mit dem Licht klappt es nur noch manchmal. Wir kennen das und finden eine Lösung, die uns auch weiterhin ruhig schlafen lässt. Sich in die Situationen hinein zu finden haben wir uns seit vielen Jahren zur Maxime gemacht und das betrifft eben auch die Technik. Wenn wir uns die frischen Farben an den Häusern wegdenken, erinnert dann auf den Hinterhöfen noch einiges an den einst slumähnlichen Zustand des Dorfes. Doch wir sehen auf die Farben und auf die mühsam errichteten Mansarden, die Fliesen, auch wenn die Ecken manchmal fehlen und auf den Boiler. Wir sehen Entwicklung und hören auf Worte, die Zuversicht ausstrahlen, auch wenn oft nur kleinste Schritte möglich sind. Nach unserem Besuch funktioniert alles, die Frau kann die Waschmaschine im Hof wieder benutzen und Gabriel hat warmes Wasser zum Duschen. Sein Vater kommt nach Hause. Er hat in den Dörfern selbst geschnittene Bohnenstangen an den Haustüren verkauft, 40 Stück für umgerechnet je 15 Cent. Er bedankt sich viele Male und entschuldigt sich, dass er das mit dem Bad nicht besser hin bekommen hat.

Nach dem Kindergottesdienst in der neuen Kirche füllen sich die Stühle vor den gedeckten Tischen und in zwei Etappen wird gegessen. Der Gulasch schmeckt und selbst die riesige Schüssel mit dem Weißkrautsalat bleibt ohne Rest. Auch vom Pudding bleibt nichts übrig. Am Ausgang erstrahlen die Augen der Kinder beim Verteilen der Ostersüßigkeiten. Vier Portionen vom Essen verteilen einige der Kinder an alte Leute im Dorf. Die allerletzte Portion bringen wir ins Nachbardorf Brazi.

Liviu, der ehemalige Buchhalter, ist wie immer zu Hause. Im Herbst haben wir ihm in seiner Hütte am Ende des Dorfes zu Licht verholfen. Er freut sich noch heute darüber und begrüßt uns freudig. Sein psychischer Zustand scheint wesentlich stabiler als im Herbst, die Hütte dagegen nicht. Er hat erfahren, dass wir kommen wollten und aus diesem Grund versucht, ein wenig Ordnung zu schaffen. Doch an den nicht vorhandenen Dielen und der Baufälligkeit seines Hauses ändert das nichts. Von seinen Schuhen, die im Herbst seine entzündeten Zehen nicht verstecken konnten, trennte er sich noch nicht, aber er hat neue Schuhe an den Füßen. Cristinas Vater brachte im Herbst einen anderen Ofen, der nicht mehr ganz so viel Rauch im Zimmer verteilt. Er freut sich über die Mahlzeit und wir sehen, dass sie einen Höhepunkt für ihn darstellt, auch wenn der Gulasch schon kalt geworden ist. Zu sehen, wie Menschen in Europa leben müssen, das verschlägt uns hier die Sprache. Wir hören keine Klagen sondern Dankbarkeit für das, was sie haben und für das, was wir bringen, eben auch für den kalten Gulasch. Eine Familie gab uns Geld für Liviu speziell mit auf die Reise. Cristina wird es verwalten und ihr Vater kann davon Lebensmittel kaufen und herbringen. Wir verabschieden uns und fahren zurück.

In Balanu konnte Cristina die Kinder dazu motivieren, entlang der Dorfstraße Müll einzusammeln. Einige volle Eimer tragen sie zum Müllplatz am Ende des Dorfes. Sie kommen zurück als wir auch ankommen und dann gibt es für alle Sammler noch etwas aus dem Fundus der Süßigkeiten. Sie verabschieden sich und wir sie - für uns ist es der letzte Abend in Balanu.

Margaretha, Cristinas Schwester, bedient den Grill. Zwar dauert es etwas länger, aber Holz gibt es noch. Wir genießen diesen letzten Abend auf der Terrasse und unsere Freunde ebenso. Selten verbringen sie solche Stunden, aber sie haben sie nötig. Spürbar entspannen sie beim Erzählen von der Begegnung mit Bären während der Blaubeersuche oder den Schlangengeschichten, von denen sie viele erlebt haben. Für uns ist das spannend, für sie ist es ganz normal. Sie leben im ersten Biosphärenreservat des Landes mit allem was dazu gehört. Melania, die Jüngste, müssen wir wecken, als wir den Abend beschließen wollen. Sie taumelt ins Haus und auch für uns ist es spät genug. Viele Gedanken kreisen noch in unseren Köpfen bis der Schlaf endlich siegt.

Der nächste Morgen bringt den Aufbruch. Mit Cristinas Eltern kommen wir endlich auch noch einmal ins Gespräch. Dem Vater, Prediger des Ortes, geht es gesundheitlich nicht besonders gut. Wir erfahren, dass er beim Ohrenarzt war und dringend auch ein Hörgerät benötigt. Erhält er es nicht bald, wird er in kurzer Zeit gar nicht mehr hören können. Wir sehen uns die Papiere an und erkennen, trotz medizinischer Unkenntnis, die Ausfallerscheinungen. Hören und Sehen sind wichtig, mit dem Herzen, aber auch mit den Organen. Wir übergeben ihm den nötigen Betrag und er dankt herzlich. Sein Anliegen war es, dass sich das Dorf verändert und das hat uns vor vielen Jahren auch motiviert. Heute braucht er Hilfe - sollen wir sie ihm nicht geben? Wir packen unsere Sachen ein, nehmen kleine Geschenke mit und das letzte Foto macht die Abreise unmissverständlich klar. Wir werden uns wieder sehen, so Gott will, und darauf hoffen wir.

Wieder leuchtet der Himmel in herrlichem Blau und lädt uns zum Abstecher in die Berge und dem Stausee dort ein. Ein junger Wolf grüßt unterwegs vorsichtig und verschwindet im Dickicht. Wir erreichen die Staumauer und erleben Natur pur. Auch wenn es um uns herum nur still ist, abschalten können wir nicht. Temeswar wartet und die neuen Straßen lassen die Fahrt flott voran gehen. Familie Kovacs erwartet uns und wir sollen berichten. Es fällt nicht leicht, einen Faden zu finden. Mit dem letzten Abendessen bei ihnen geht unsere Reise wieder zu Ende. Am nächsten Morgen folgt die Verabschiedung in aller Ruhe und Herzlichkeit.

Die Besuche bei unseren Freunden in Rumänien haben uns selber verändert. Wir ordnen die Wertigkeiten in unserem Leben anders, als vor den Reisen. Vielleicht haben wir es ein wenig gelernt, auf das zu hören und zu sehen, was wichtig ist im Leben und darauf, was wirklich zählt. Wir erkennen, dass wir eine Aufgabe haben, die über den eigenen Horizont hinaus anderen zu einer Hoffnung und Perspektive verhelfen kann. Wir machen Fehler und geben trotzdem nicht auf, weil wir an die Kraft der Vergebung glauben und uns von starker Hand geborgen und geführt wissen. „Wie war´s denn?“, wollen sie zu Hause von uns wissen und wieder suchen wir krampfhaft nach Antworten.

Wir sind dankbar für diese Tage, für das Miteinander und den starken Rückenhalt den Sie alle uns mit den Gebeten und Spenden auf die Reise mitgegeben haben. Wir spüren das Interesse vieler Helferinnen und Helfer, denen die Menschen in Rumänien am Herzen liegen und die ihnen, trotz der Entfernung, schon so nahe sind. Unsere Freunde und Bekannten gaben uns herzliche Dankesgrüße an Sie alle mit auf den Weg. Die Menschen wissen sich nicht vergessen, sondern begleitet. Für den Herbst planen wir die nächste Fahrt. Gebe es Gott, dass wir hören und sehen wie es weiter geht.

 

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