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April 2015 - Sonnige Hoch-Zeit

Der Mensch denkt doch… manchmal kommt es anders. Wir jedenfalls planten, wie an dieser Stelle auch mehrfach publiziert, jährlich nur noch eine Fahrt nach Rumänien anzutreten.

Im Januar erreichte uns mit den Neujahrswünschen aus Balanu die Nachricht, dass Daniel, Cristinas Sohn, seine Freundin Laura heiraten möchte. Verschiedene Umstände, keine schwangerschaftsbedingten, drangen zu Eile.

Für die Familie komplizierte sich die kurzfristige Entscheidung der beiden Heiratswilligen deshalb, weil finanzielle Rücklagen dafür nicht mehr vorhanden waren. Einerseits war das Geld aus den Erntemonaten in den Gierstädter Kirschplantagen für den Ausbau des Dachgeschosses fast aufgebraucht, andererseits beabsichtigt die Familie in jedem Fall ein Beispiel für das Dorf zu sein. Das betraf nun auch die anstehende Hochzeit. Nach 16 Jahren sollte es die erste Hochzeit in Balanu werden.

Doch nicht wegen der finanziellen Lage erreichte uns der lange Brief mit den Neuigkeiten, sondern die gewachsene Freundschaft drängte unsere Freunde zum Meinungsaustausch. Viele Fragen eröffneten sich bezüglich der Planung. Das „Wie, Wo, Wann und Mit-Wem“ war Inhalt langer Telefongespräche. Dass die Frage nach den Trauzeugen nicht geklärt war, merkten wir erst später. Wir sollten diese Ehre bekommen und deshalb sollte die Hochzeit nicht ohne uns stattfinden. Daher korrigierten wir unseren Plan, nur im Herbst zu fahren. Die ursprüngliche Idee, mit dem PKW zu reisen, wich allmählich der Überzeugung, dann doch den Transporter mit Ostersüßigkeiten eines Erfurter Großmarktes, Kinderkleidung, Schuhen, einem Ehebett für das Brautpaar und anderen Dingen voll zu packen.

Alles verstaut, sitzen wir zu viert am 22. April um 4.00 Uhr morgens im Auto und begeben uns auf den gewohnten Weg, allerdings nur für einen kurzen Aufenthalt.. Wissend um die Probleme des Erwerbs von Dekorationsartikeln in Rumänien, versprachen wir, uns auch darum zu kümmern. Ein Großhändler unterstützte uns dabei großzügig. Zu dieser Hochzeit kam ein Ausschank alkoholischer Getränke auf Grund der Glaubensüberzeugung der Familie nicht in Frage. Wir respektieren das in jeder Hinsicht. Doch die Aussicht auf Cola und Fanta veranlasste uns, die Gierstädter Obstbauern um Hilfe zu bitten und so ist der Platz unter und hinter unseren Sitzen auch mit jeder Menge Obstsaft gefüllt. Die Fahrt im Frühling ist immer angenehmer, denn die Tage sind länger und bei dem schönen Wetter genießen wir die dahinrauschende Natur.

Noch bevor wir das Temeswarer Pfarrhaus ansteuern biegen wir nach Jimbolia ab, um dem Kinderheim einen Kurzbesuch abzustatten. Kinderschuhe, Mehl, Ostersüßigkeiten, Lebensmittel und ein Briefumschlag übergeben wir Piroska, der Leiterin, während die Bälle und Federballspiele sofort zum Einsatz kommen. Kein Kinderprogramm wie sonst, aber wenigstens diese kurze Stippvisite war uns möglich. Piroska berichtet von den Kindern, der Schule und der übergroßen Freude, dass gerade heute von einem kanadischen Sponsor ein neuer Kleinwagen angeliefert wurde. Seit einem Jahr war sie nicht mehr mobil und musste alle Wege mit dem Fahrrad erledigen. Das hat den Mann zur Spende des Dacia bewogen. Wir teilen die Freude mit ihr, wo wir sonst so oft das Leid mit ihr teilten.

Bis nach Temeswar ist es gut eine Stunde Fahrtzeit und wir werden herzlich empfangen. Pfarrer Kovacs und seine Frau wissen, dass wir nur eine Nacht hier bleiben, aber wir brauchen schon lange kein Protokoll mehr, um miteinander warm zu werden. Wir erfahren vom Bauverlauf bei der Außensanierung der großen Kirche. Die Bauerlaubnis wurde einmalig um ein Jahr verlängert. Dann wird es keine Genehmigung mehr geben. Mit großer Freude nimmt er deshalb unseren Umschlag entgegen und wird sich schon am nächsten Tag mit der Firma zu diesbezüglichen Absprachen treffen. Nach dem Frühstück sitzen wir am nächsten Morgen bald im Auto und rollen in Richtung Osten, denn in zwei Tagen soll die Hochzeit sein.

Auf einem kurzen Umweg besuchen wir eine Ärztin in Simeria, einer Kleinstadt hinter Deva, der wir einige Verbrauchsmaterialien übergeben. Vielleicht kann sie unseren Freunden nützlich werden, denn einen guten Arzt in Rumänien zu finden, wird immer schwieriger. Sie reisen aus finanziellen Gründen, mit guter Ausbildung ausgerüstet, ins westliche Ausland, um sich dort eine neue Existenz aufzubauen. Das ist bei diesen Löhnen im Land und den winkenden Angeboten verständlich. Doch für die Menschen in Rumänien weitet sich das zur Katastrophe aus. Die Ärztin, mit der wir eine ganze Weile sprechen, entschied sich anders und kehrte ganz bewusst ins Land zurück.

Noch scheint die Sonne, als wir in Balanu einfahren, aber es wird in dem Tal zwischen den Bergen schon merklich kühler und eine Jacke tut gut. Auf beiden Seiten ist Freude des ungeplant schnellen Wiedersehens groß. Wir laden das Auto aus und verteilen die Sachen dorthin, wo sie hin gehören. Wir sind ja auch hier schon lange zu Hause.

Der Rest des Tages vergeht natürlich mit den Absprachen zur Hochzeitsvorbereitung und wir merken, dass es üblicher Weise noch genug zu erledigen gibt. Uns interessiert auch der Ablauf des Hochzeitstages. Bei der Frage nach dem Ort des Ringtausches erfahren wir, dass es keine Ringe geben wird. Sie haben das ganze Geld zusammen gekratzt und geborgt, um Kleidung und Essen bezahlen zu können. Das sagen sie so nicht, aber wir kennen sie ja - jedenfalls gibt es keine Ringe. Die Feier mit einem Essen wird, nach standesamtlicher und kirchlicher Trauung, im Nachbarort in einem zu solchen Anlässen eingerichteten größeren Raum, ähnlich einer Gaststätte, stattfinden.

Da wir die Dekoration übernehmen, treffen wir uns am Abend dort mit der Chefin, einer jungen Frau, um alles zu besprechen. Schnell wissen wir alle, was wir wollen und sind uns eines guten Miteinanders sicher. Cristina klärt die letzten Einzelheiten zum Essen, denn das wird morgen alles frisch eingekauft. Den Abend und die Nacht nutzen wir zum Gespräch, auch über die Menschen im Dorf und immer wieder bleiben wir bei Einzelnen hängen, deren Leben und Situationen uns, in aller Vorfreude auf die Hochzeit, doch sehr nahe gehen. Für die Arbeit des Vereins, die Kinderspeisung und für medizinische Notfälle übergeben wir Spendengelder und fast hörbar fallen mehrere Steine von den Herzen.

Der Winter war sehr lang und mit uns kamen die ersten wirklichen Frühlingstage, so oder so. Die Küche hat jede Woche für mehrere Durchgänge gekocht, das heißt fast 90 Portionen. Wenn wir das kalkulieren, können wir fast unsere Preise ansetzen. Das macht die Not-Wendigkeit der Unterstützung deutlich. Die Menschen dort und insbesondere auch die Kinder wissen noch, wie sich Hunger anfühlt, gerade im Winter. Der Job der Eltern als Tagelöhner bringt im Sommer und Herbst nicht viel und im Winter gibt es ihn gar nicht.

Am nächsten Tag dekorieren wir die Kirche und die Gaststätte. Von den Tischdecken bis zum letzten Luftballon kommt alles zur Anwendung und selbst wir sind mit dem Ergebnis gut zufrieden. Die Sache mit den nicht vorhandenen Ringen ließ uns keine Ruhe und so fahren wir mit den Beiden am Tag vor ihrer Hochzeit zum Ringkauf in die Stadt. Beide wissen auch schon bald was sie wollen und während wir Lauras Ring gleich mitnehmen können trifft der des Bräutigams, nach rumänischer Manier, kurz vor Mitternacht in Balanu ein. Zwischendurch liegen Friseurtermine, Kuchentransporte hin und her, Gasflaschen holen und so manches andere.

Die Hähne beginnen kurz nach dem Abtreten zur Nachtruhe gegen 4 Uhr morgens mit dem Hofkonzert, so dass niemand verschläft. Unser Transporter mutiert zum Hochzeitsauto, nachdem die multinationale Insektensammlung von Scheibe und Motorhaube entfernt wurde. Der Bräutigam bekommt mit der Frisur den letzten Schliff und ist kaum wieder zu erkennen. Die Musiker treffen ein und übernehmen das Hofkonzert von den Hähnen, aber im Dorf schläft längst keiner mehr. Die geladenen Gäste versammeln sich mit den Dorfbewohnern vor den Häusern der jeweiligen Brautleute und pünktlich setzen wir uns mit Daniel an der Front unter den Klängen der Musikgruppe in Bewegung, gefolgt von den Ehrenfräuleins mit Blumenkörbchen, in Richtung des Brauthauses.

Erst am Abend erfuhren wir von unseren vielfältigen Verpflichtungen als Trauzeugen, die jetzt mit der Anführung des Zuges begannen. Die restlichen Bewohner des Dorfes hatten sich mit den Gästen vor dem Haus der Braut versammelt, dass sie nun für immer verlassen sollte. Doch vorher gilt es zu verhandeln.

Pflichtgemäß klopfen wir an das Häuschen und bitten die Eltern um eine Braut. Sie bieten uns ein kleines, in Tüll gekleidetes Mädchen von knapp acht Monaten, doch Daniel lehnte großzügig ab. In der weiteren Verhandlung erscheint Laura, unverkennbar als Braut. Was haben wir für sie zu bieten, ist die Frage. Bei dem für alle Gäste sichtbaren Blick in den Geldbeutel stellt sich raus, dass die Summe unserer Scheine nicht reicht und auch die Zulage eines Fahrrades nicht genug wäre für diese junge Schönheit. Was ist zu tun? Mit großer Geste und noch größeren Worten holen wir das aus der Tasche das, was uns das Wertvollste ist, ein Neues Testament. Sie haben nun ohne die Tochter im Haus noch mehr Zeit, darin zu lesen, erklären wir, und sie sind dann bereit, die Braut einzutauschen. Daniel ist mit ihr sichtlich einverstanden und wir übergeben sie ihm gern. So holt er seine zukünftige Frau aus ihrem Elternhaus ab, um sie in ihr neues Heim zu führen. Wir geleiten die Beiden rechts und links. Unter der Tannengirlande, die den Hofeingang überspannt, fragen wir die Braut ein letztes Mal, ob sie das wirklich will. Es freut uns, dass sie nicht lange überlegen muss und es ist ersichtlich, was es bedeutet, nicht nur an den feuchten Augen ihrer Mutter.

Bei den Autos angekommen, laufen die Fotoapparate heiß. Wir erkennen die Menschen kaum, die sich auf diese Hochzeit vorbereitet haben und neu eingekleidet sind. Wir kennen ihre Hütten und Situationen und spätestens jetzt wird sichtbar, wie wichtig der Tag für alle ist, nicht nur für die Familien der Brautleute und die geladenen Gäste. Selbst die kleinen Kinder sind frisch gewaschen und angezogen, um zu staunen.

Die Autokolonne zieht zum nächsten Dorf, wo der Bürgermeister, dekoriert mit der Schärpe in den Nationalfarben, der Erfüllung seiner Amtspflicht entgegensieht. Nach drei Sätzen ist die Zeremonie hier beendet und wird, neben dem Kuss, mit vielen Unterschriften und Stempeln besiegelt. Das Fotoshooting dauert etwas länger und mit viel Lärm verlassen wir mit unserer geschmückten Kolonne das Dorf und kehren zum Traugottesdienst nach Balanu zurück.

Mit einfachen und klar verständlichen Worten legt der Prediger den Wert einer Ehe aus biblischer Sicht nicht nur den Brautleuten dar, ohne dabei die Realitäten unserer Zeit aus den Augen zu verlieren. Gottes Segen beruht auch auf grundlegenden Entscheidungen im Leben, die es nicht aus den Augen zu verlieren gilt. Jeder der auch aus dem Dorf Anwesenden versteht das und es waren, wie unsere Freunde es nennen, „gesunde Worte“. Eines der Ehrenfräuleins bringt danach das Kissen mit den Ringen, die sich die Beiden nun gegenseitig mit einem Eheversprechen anstecken.

Nach dem Gottesdienst kommen die Gratulanten, begleitet von jeder Menge Fotoapparaten, bis sich dann die Autoschlange tönend ins Nachbardorf zum Essen begibt.

Dort geben die Musiker ihr Bestes und das bis kurz vor Mitternacht. Das Essen ist vorbereitet, doch vorher sind wir als Trauzeugen gefragt, die Tischrede zu halten. Glücklicherweise wurde uns das auch schon am Abend vorher unterbreitet, so dass wir nicht ganz unvorbereitet sind. Danach beginnt das Essen, was sich bis zur Hochzeitstorte gegen 23 Uhr Gang für Gang hinzieht. Zwischendurch betrachten sich die Gäste unsere Falttechnik bei den Servietten, die Tisch- und Raumdekoration und genießen sichtlich die Gierstädter Obstsäfte bei angeregten Gesprächen. Auch uns wird die Zeit nicht lang bei den vielen Bekannten, mit denen wir uns unterhalten. Der Lehrer aus Balanu, der, wie er sagt, als Gast auf über hundert Hochzeiten war, bezeichnet diese als ein Beispiel für alle, die er bisher erlebt hat. Cristinas Wunsch, ein Beispiel zu geben, scheint sich schon an diesem Abend zu erfüllt zu haben. Da wir ein gutes Verhältnis zu dem Personal aus Service und Küche knüpfen konnten, loben wir das gute Essen auch direkt in der Küche oder „helfen“ mal kurz beim Rühren des Kartoffelpürees mit der Bohrmaschine. Herzlichkeit kennt keine Grenzen, das erfahren wir in diesem Land immer wieder.

Mit der Übergabe des Schlüssels für das von uns dekorierte Schlafzimmer und dem neuen Ehebett für die Beiden endet unsere Aufgabe als Trauzeugen. Laura und Daniel waren einfach glücklich. Für die Familien und für viele Bewohner war es ein toller Tag, von denen es nicht all zu viele gibt. Nicht zuletzt hat das Wetter mit seinem Hoch und sonnigen Temperaturen seinen Teil dazu beigetragen.

Der Sonntagmorgen bedeutet für uns Abreise. Vorher kaufen wir im Dorf für uns gefertigte Körbe.

Auch Vidu, den alten halbseitig gelähmten Mann, besuchen wir. Es wird schwer, einen kurzen Aufenthalt in seiner kleinen Holzhütte unfallfrei zu überstehen, aber er freut sich so darüber, dass wir ihn besuchen. Frau Tenzuca liegt auf Ihrem Sterbebett, Cristina bat uns ihr und den Kindern, ebenso wie Vidu, vom Hochzeitskuchen ein Päckchen zu bringen. Der Magenkrebs wird sie hoffentlich nicht mehr allzu lange quälen. Die Rente ihres Mannes reicht gerade für einfache Schmerzmedikamente.

Wir stellen uns zum Abschiedsfoto unter die Tannengirlande über dem Hoftor und während wir uns verabschieden glänzen immer noch die von uns auf eine Blechtafel geschriebenen Worte: „Bine ati venit“, „Herzlich willkommen“. Wir schmunzeln und nehmen das sehr gern für den Herbst auf.

Nach einer Nacht in Temeswar und der Rückfahrt gehen auch für uns wunderschöne Tage zu Ende, nicht ohne Aussicht auf weitere bei unseren Freunden. Wir wünschen besonders den beiden Jungvermählten Zeiten mit vielen Hochs in ihrem Leben. Alles andere erfahren sie sowieso.

In ihrem Namen und in dem ihrer Familien danken wir Ihnen allen herzlich, dass dieser Tag und alles, was wir beitragen konnten, hier in Balanu und an den anderen Orten, durch Ihre Hilfe möglich wurde. Es tut ausgesprochen gut, nicht nur selbst den Sonnenschein zu genießen, sondern auch andere ein Stück weit in solchen Sonnenschein hinein geleiten zu dürfen, auch als Trauzeugen. Ihnen und Gott, der unsere Schritte lenkte und lenkt, sei Dank dafür. 

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